In diesem Beitrag habe ich bereits von meinem geplanten Vorhaben in Estland berichtet.
Mittlerweile bin ich seit über einem Monat wieder zu Hause. Schande über mein Haupt! Beruflicher Veränderung und gesundheitlichem Missstand sei Dank dass ich säumig geworden bin!
Nun gibt es aber endlich einen kurzen Bericht (zumindest vorerst Teil 1) zu einem, wie ich erfahren durfte, wenig begangenen Weitwanderweg in Estland bzw. einem Teil davon.
Springe zu den einzelnen Kapiteln des Reiseberichts:
- 23.08.2015 – Ankunft in Tallinn
- 24.08.2015 – Altja bis Nommeveski Campsite
- 25.08.2015 – Nommeveski Campsite bis Jussi Campsite
- 26.08.2015 – Jussi Campsite bis Noku Campsite
Auf die offizielle Homepage möchte ich an dieser Stelle nochmals verweisen. Tolle Seite mit allen Informationen, welche aufgrund der Karten auch einen besseren Überblick über meinen Bericht geben sollte.
23.08.2015 – Ankunft in Tallinn:
Mein recht günstig ergatterter Flug bringt mich mit Abflug in den frühen Morgenstunden per Austrian Airlines von Wien nach Warschau und nach kurzem Aufenthalt weiter per LOT nach Tallinn. Mein Gepäck bringt es laut Check-In auf etwa 11 kg inkl. Proviant für meine Tage auf dem Trail.
Bei strahlend blauem Himmel verlasse ich das Flughafengebäude und begebe mich zu Fuß Richtung Innenstadt von Tallinn. Den Flughafen trennt ein ca. 30 minütiger Spaziergang von der Altstadt Tallinns, die randnähere Innenstadt erreicht man nach ca. 20 Minuten. Auf dem Weg dorthin gibt es 2-3 Möglichkeiten um Brennstoff zu kaufen. Ich kaufe mein Gas in einem riesigen Shoppingcenter neben dem Flughafen, dem Ülemiste Center welches auch sehr lange Öffnungszeiten hat und auch Sonntag geöffnet ist.
Der einzige Bus von Tallinn Richtung Altja, einer mickrig kleinen Ortschaft nahe des Trailheads, geht immer vormittags um 10:30. Ich muss also auf den nächsten Tag warten. Ich habe aber vorgesorgt und mir ein günstiges Gemeinschaftszimmer im Teko Hostel gesichert. Für 15 Euro soll ich hier in einem 3-Bettzimmer unterkommen. Während dem Studienjahr dient das Hostel auch als Studentenheim. Ich habe Glück und bekomme ein Doppelzimmer für mich alleine und bezahle trotzdem nur die 15 Euro. Fängt ja prima an!
Ich verbringe den Rest des Tages indem ich mir zu Fuß die Altstadt von Tallinn ansehe.
Eines wird mir schnell klar. Tallinn ist anders als ich es mir vorgestellt habe. Es ist zwar wie gedacht recht überschaubar, aber es ist teilweise sehr modern, vor allem die jungen Leute sprechen alle gutes Englisch. Die Altstadt, im Stile einer alten Hansestadt, ist sehr gepflegt und doch größer als ich mir sie erwartet habe. Das Preisniveau entspricht etwa dem unseren.
Ich stelle fest: das Ganze ist dann doch nicht so russisch wie ich mir das vorgestellt habe.
24.08.2015 – Altja bis Nommeveski Campsite:
Distanz ~30km; Summe = 30km
Um 10:30 geht mein Bus von Tallinn nach Altja. Die Busstation ist nur wenige Meter von meinem Hostel entfernt. Ich kaufe mir noch ein kleines Frühstück und ein wenig Verpflegung für die Fahrt im Supermarkt auf der gegenüberliegenden Straßenseite ein. In der Sonne sitzend warte ich auf den Bus 811.
Dieser bringt mich in 1:45 pünktlich nach Altja. Um 12:15 verlasse ich also gemeinsam mit 3 weiteren Personen den Bus an der Endstation. Die anderen übriggebliebenen Passagiere sind ebenfalls mit Rucksack ausgestattet und recht jung. Ich vermute schon auf andere Mitwanderer gestoßen zu sein, auf Nachfrage deklarieren sie sich aber als Touristen die hier ein paar Tage verbringen wollen und Tageswanderungen unternehmen werden. Wozu sie hohe, schwere Stiefel und geschätzte 25kg am Buckel haben bleibt mir ein Rätsel. Man muss wissen das Estland so flach wie eine Bratpfanne ist. Maximale Erhebung irgendwas knapp über 300m Seehöhe. Man bemühe an dieser Stelle bitte eine Suchmaschine des Vertrauens um Gewissheit über die exakte Höhe zu erlangen.
Das Oandu Nature Center und somit der Beginn des offiziellen Weges liegt wenige Kilometer weiter südlich. Ich mache mich also vom Küstenörtchen Altja auf den Weg dorthin und folge dem Straßenverlauf durch den ausgedehnten Kiefernwald. Das Wetter ist mir auch heute hold.
Das Nature Center in Oandu ist nett an einem kleinen See angelegt und ist nach Vorbild vieler solcher Center ausgestattet. Ich kaufe mir für wirklich wenig Geld die Übersichtskarten für meinen Wegteil (1 € pro Blatt). Ich habe zwar beinahe das exakt selbe Material als Ausdruck von der Homepage dabei, aber ich sammle gerne offizielle Karten meiner Touren, ein kleines Andenken also. Die Karten sind nicht besonders detailliert, geben aber Auskunft über Wegstrecken und offizielle Campingspots, Feuerstellen, etc.
Von hier bis nach Aegviidu folgt der Weg dem bereits seit längerem existierenden Korve Trail. Der Weg ist sehr gut beschildert und nach jedem Kilometer zählt eine Tafel die verbleibenden Kilometer bis zum Ende des Trails in Ikla herunter (in Summe sind es 375 km von Oandu bis Ikla). Der Weg verläuft fast ausnahmslos in weitem Kiefernwald mit krautigem Bewuchs am Boden. Oftmals ist der Weg sandig und fast immer breit angelegt, theoretisch also auch von Fahrzeugen befahrbar. Ohnehin ist dieser Weitwanderweg auch als Biketrail ausgewiesen und meine Recherchen im Internet haben hauptsächlich Gruppen ausgespuckt welche den Trail per Rad bewältigt haben.
Bald erreiche ich die Ortschaft Vosu und somit den ersten offiziellen Campingspot. Die ausgewiesenen Campingspots verfügen alle über Feuerstellen, Picknicktische und Trockentoiletten/Plumpsklos. Vosu verfügt auch über einen Wasserhahn, ansonsten besteht die Wasserquelle auf dem Trail im Idealfall aus nahegelegenen Fließgewässern (selten), moorigen Seen und Tümpel (häufig) teilweise sind sie auch zumindest optisch von minderer Qualität. Das Wasser ist so gut wie immer gelblich bis bräunlich und mein Sawyer Mini Wasserfilter hat bereits nach kurzer Zeit kaum mehr Leistung gebracht.
Ich gehe heute noch ein bisschen weiter und erreiche am Abend und nach etwa 30 km Nõmmeveski. Dieser Zeltplatz liegt an einem kleinen, langsam dahin fließenden Gewässer. Ich bin der einzige hier. Neben den üblichen Aktivitäten wie Zelt aufstellen, organisieren, kochen, etc. beschließe ich mich in dem Bächlein zu waschen. Man weiß nie wann man das nächste Mal Gelegenheit dazu hat.
Außerdem stelle ich am Ende des ersten Tages fest, das sich meine neuen Brooks Ghost Laufschuhe als angenehme Wahl herausgestellt haben. Weil ich in der Erwartung von leicht matschig-sumpfigen Passagen angereist bin habe ich mich für die Variante mit Gore-Tex entschieden, damit meine Füße zumindest kurze Berührungen mit H2O trocken überstehen. Auch wenn wir alle wissen, dass GTX in Wirklichkeit ja nicht trocken hält 😉
25.08.2015 – Nommeveski Campsite bis Jussi Campsite:
Distanz ~31km; Summe = 61km
Nach dem kleinen obligaten Frühstück mache ich mich auf den Weg. Auch heute wieder ist es sonnig und die Temperaturen sind angenehm. Nach etwa 15 km erreiche ich das Viru Moor. Ein beplankter Holzpfad führt hinüber. Aufgrund der nahen Lage zur Autobahn und weil es eine „Sehenswürdigkeit“ darstellt, begegne ich hier einigen Personen. Am Vortag war ich mit Ausnahme von 2-3 „Menschensichtungen“ alleine. Im Moor wurde auch ein Aussichtsturm platziert. Dieses Moor inkl. Aussichtsturm sollte nicht das letzte seiner Art auf meiner Reise sein. Generell ist ein großer Teil Estlands moorig und sumpfig. Wir fassen zusammen: ein bratpfannenebenes, moorig, sumpfiges Land.
Kurz nach dem Moor gilt es die Autobahn zu überqueren. Hört sich schlimmer an als es ist. Kein Vergleich zu mitteleuropäischen Autobahnen. Der heutige Weg schlängelt sich weiter durch ausgedehnte Kiefernwälder. Der Weg bleibt gut zu begehen: breit, gut ausgetreten aber für meinen Geschmack gerade noch nicht zu „Autobahnähnlich“, auch wenn schon einmal die ein oder andere Forststraße oder phasenweise geteerte kleinere Straßen verwendet werden müssen.
Der Nachmittag führt mich vorbei an einigen offiziellen Campingspots die an schönen kleinen Seen liegen. Hier kann man gut und gerne auch mal auf Mitmenschen stoßen. Ich habe Glück das ich unter der Woche unterwegs bin und die Ferien keine Hochsaison mehr haben (wie ich zumindest vermute). Ansonsten kann es hier sicher mal passieren, dass man in ein abendliches Saufgelage geraten kann. Denn leider haben alle Campingspots eines gemeinsam: alle sind mehr oder minder einfach per Fahrzeug zu erreichen… so muss der Alk nicht mühsam durch die Pampas getragen werden und man kann auch mal das ein oder andere Würstchen zu viel auf den Grill schmeißen.
Am Jussi Campingspot beschließe ich zu bleiben. Die Lage ist recht schön, noch bin ich alleine und ich habe guten Zugang zum See für Trinkwasser und Waschen. Ich stelle mein Zelt allerdings etwas abseits auf, da ich vermute heute Nacht nicht alleine hier übernachten zu dürfen.
Nachdem ich rechtzeitig meinen Körper von Salz und Schweiß befreit habe bestätigt sich meine Vermutung. Ich bin hier nicht alleine. Ein verliebtes, estnisches Paar mittleren Alters kommt einen Pfad entlang und begibt sich Richtung Seeufer. Ich sehe die beiden von meinem Zeltplatz aus, beschließe dann doch mich Richtung Picknicktisch zu begeben und dort etwas zu kochen. Ich setze mich ca. 20 Meter von Ihnen hin und drehe mich zu Ihnen um. Das Paar scheint mich nicht bemerkt zu haben. Sie jedenfalls fummelt mit heruntergelassenem Schlüpfer an ihrem Genitalbereich herum, reibt sich die Finger und riecht daran, ihr nackter Hintern ist in meine Richtung gedreht, ihr Kerl steht daneben. „What the fuck?! Was geht hier ab?!“ denke ich mir… und mache mich durch lautes Geklapper mit meiner Gaskartusche eindeutig bemerkbar. Es funktioniert. Etwas überrascht zieht sich das Weibchen (der Begriff Lady kommt mir an dieser Stelle für sie nicht passend vor) ihre Hose hoch. Die beiden bleiben noch rund eine halbe Minute am Ufer und tun als wäre nichts gewesen, dann machen sie sich aus dem Staub. Ich bin also mal wieder der große Spielverderber.
Trotzdem sollte ich diese Nacht nicht alleine hier campieren. In der Dämmerung baut ein junges Paar sein Zelt auf. Glücklicherweise weit genug von mir entfernt. Während ich schon in meinem Zelt liege und am Einschlafen höre ich zwei weitere Personen die ihr Zelt in meiner Nähe aufbauen. Sie scheinen mich ebenfalls nicht bemerkt zu haben, sonst hätten sie vermutlich weiter weg campiert. Platz genug wäre vorhanden.
26.08.2015 – Jussi Campsite bis Noku Campsite
Distanz ~37km; Summe = 97km
Nach rund 60 km Kiefernwald beginnt sich die Szenerie in den frühen Morgenstunden langsam zu ändern. Bald schreite ich einige Kilometer durch eine Gegend die an kleine Sanddünen mit krautigem Bewuchs erinnern. Es hängen Wolken am Himmel und Regen liegt in der Luft, was allerdings gut zur Szenerie passt und stimmig wirkt.
Ich streife durch kurze Abschnitte mit hohem Gras und kontrolliere regelmäßig meine Beine nach Zecken, da ich in den vorhergehenden Tagen doch die eine oder andere blutsaugende Kreatur an meinen Beinen krabbeln gesehen habe. Bald komme ich wieder in waldige und sumpfige Umgebung. Der bevorstehende Regen trägt zusätzlich dazu bei, dass mich nun auch einige Mücken angreifen. Ich zippe meine langen Beine an und schmeiße mich in langärmeliges Gewand. Bald setzt leichter Regen ein. Also ziehe ich auch meine Regenjacke drüber. Monoton marschiere ich durch die Gegend. Nach etwa 15 zurückgelegten km und somit kurz vor der Ortschaft Aegviidu setzt der Regen stärker ein. Regenhose an, leider etwas zu lange gewartet, und weiter. Mein Rucksack ist nass und langsam gibt auch das Gore Tex meiner Schuhe auf (Schritte durchs Gras tragen dazu bei). Ich erreiche Aegviidu. Dies ist eine größere Ortschaft auf dem Weg und verfügt über einen Bahnhof und somit direkten Anschluss an Tallinn. Außerdem besitzt das Örtchen eine Apotheke, einen dürftig ausgestatteten kleinen „Super“markt und über ein Nature Center, welches ebenfalls modern und gut ausgestattet ist.
Ich beschließe den Regen im Nature Center auszusitzen. Das Nature Center bietet einen PC inkl. Internetzugang sowie auch WLAN. Der äußerst verlässliche norwegische Wetterbericht http://www.yr.no/ bzw. die Radarbilder zeigen Besserung in absehbarer Zeit. Ich kaufe mir eine kleine Nascherei im Supermarkt und surfe ein wenig im Internet. Die Angestellt im Nature Center spricht schlechtes Englisch, ist aber sehr nett.
Ca. eine Stunde verbringe ich im Internet, dann mache ich mich wieder auf den Weg. Der Regen hat aufgehört. Kurz hinter Aegviidu befindet sich einer der zahlreichen Campingspots, ich lasse ihn links liegen und mache mich weiter auf Richtung Süden.
Heute geht es für mich bis zum Noku Campingspot. Dieser bietet auch einen Holzverschlag welcher als Biwak z.B. im Winter benutzt werden kann. Ansonsten ist dieser Platz weniger idyllisch als die meisten Plätze davor. In der nahen Umgebung sind einige Männer am fischen, außerdem liegt der Parkplatz sehr nahe. Ich schlage mich also etwas abseits ins Gebüsch. Wasser steht hier keines unmittelbar zur Verfügung. Man muss einige Hundert Meter weiter in ein nahe gelegenes Moor marschieren um Wasser zu besorgen. Mir reichen meine restlichen Reserven des Tages (im Nature Center habe ich gutes Wasser aufgefüllt).
Aus einem Auto mit lauter Musik steigt eine Gruppe Jugendlicher aus, welche recht laut sind. Sie stellen sich als harmlos heraus und verschwinden bald. Zur Dämmerung erscheint ein junges französisches Paar. Sie laufen ebenfalls einen Teil des Weges. Scheint als hätte ich sie im Laufe des Tages irgendwo überholt als sie pausiert haben. Sie sind recht langsam unterwegs weil es für sie eine der ersten Touren ist. Sie sind scheinbar einen Tag vor mir gestartet. Wir tauschen uns ein bisschen aus, dann gehe ich schlafen und warte auf das was folgt….
2 Kommentare
Ein toller Bericht bis hier hin. Bin schon gespannt auf den nächsten Teil!
Beste Grüße
Johannes
Hi Johannes!
Freut mich, dass er dir gefällt!
Teil 2 und ist nun online, somit ist dieser Reisebericht abgeschlossen 🙂
Viel Freude beim Lesen und vielleicht auch beim Nachwandern!
Grüße
Dominik