Mein großes Weitwanderprojekt für 2020 war die große Alpenüberquerung Grande Traversée des Alpes (GTA) entlang des GR5 in Frankreich. Nach 700 zurückgelegten Kilometern und 37.000 Höhenmeter im Aufstieg und ebenso vielen im Abstieg bin ich absolut begeistert wieder zu Hause angekommen. Alles lief wie am Schnürchen und ich konnte die Wanderung in unter 16 Tagen beenden.
Körperliche Vorbereitung
Insbesondere durch meine langen und intensiven Tage auf dem Weitwanderweg „Min Weag“ war mein Körper perfekt auf dieses intensive Abenteuer eingestellt. Ich hatte keine Verletzungen oder Ermüdungserscheinungen die mich am wandern gehindert haben. Im Schnitt war ich jeden Tag etwa 11 Stunden wandernd unterwegs. Ich bin jeden Tag pünktlich um 21:00 in meinen Schlafsack (Quilt) gekrochen und habe diesen im Normalfall um 5:50 wieder verlassen. In dieser Zeit konnte sich mein Körper ausreichend erholen um Tag für Tag Höchstleistungen zu erbringen.
Wetter
Das Wetter war ein Mix aus allem. Der erste Tag im französischen Jura ab Pontarlier war brennend heiß. Danach ist über Mitteleuropa eine Kaltfront eingefallen und hat mich bereits am zweiten Abend erwischt. Naß und kalt war die Nacht. Am Vormittag des dritten Tages habe ich Nyon am Genfersee erreicht und die Überschreitung des französischen Juras gemeistert. Per Zug wechselte ich auf die andere Seite des Genfersees nach St. Gingolph, einem der beiden offiziellen Startpunkte der großen Alpenüberquerung (GTA). An diesem Tag war das Wetter miserabel. Aus dem Zug in St. Gingolph aussteigend erreichte mich 5 Minuten später eine dunkle, massive Front. Kaum in den Alpen ging es richtig los. Den steilen, langen Aufstieg vom Genfersee schüttete es aus Kübeln. Trotz Regenjacke und -hose war ich bis auf die Unterwäsche nass. An diesem Tag fällt in dieser Region Schnee bis auf 2.500 Meter Seehöhe. Bei niedrigen einstelligen Temperaturen beginne ich irgendwann zu schlottern. Der Einstieg in die Alpen fällt mir also schwer. Ich beschließe an diesem Tag ins Tal abzusteigen. In La Chapelle-d’Abondance greife ich auf ein Hotelzimmer zurück. So habe ich mir den Einstieg nicht vorgestellt. Ich komme mir etwas „schwach“ vor. Trotzdem weiß ich, dass diese Entscheidung seine Begründung hatte. Zu viele Tage liegen noch vor mir. Ich will nicht bereits zu Beginn meine Gesundheit riskieren, meine Reserven verbrauchen und mich unnötig schwächen. Der nachfolgende Tag fällt ebenfalls in die Kategorie „zum Vergessen“. Zwar regnet es deutlich weniger und die Temperaturen erholen sich ein wenig in Richtung „Sommer“, trotzdem bleibt es ungemütlich und die Alpen hängen in dicken Wolken.
Das Wetter der nachfolgenden Tage unterliegt einer Schwankungsbreite. Es folgen ein paar wenige sehr heiße Tage. Auf der GTA bewegt man sich fortlaufend gegen Süden, die Sonne knallt also meist frontal herab. Je weiter ich in Richtung Mittelmeer komme desto öfters bauen sich mächtige Wolken ab Nachmittag auf. Das ein oder andere mal bekomme ich einen Regenguss ab. Richtige Gewitter bleiben mir auf dieser Tour erspart.
Highlights und Impressionen entlang des Weges
Es ist beinahe unmöglich alle Impressionen und Highlights zusammenzufassen. Meine Tour war schöner und wilder als ich es mir erhofft hatte. Mir war nicht bewusst, dass wir im Herzen Europas solch schönen Plätze haben. Mir war die Schönheit der Alpen gar nicht so im Klaren. Zwar lebe ich in einem Alpenland (Österreich), die Alpen hier sind jedoch komplett verschieden zu jenen die ich überquert habe.
Das Mont-Blanc Massiv ist für die meisten der Inbegriff der Alpen. Der höchste aller Alpenberge ist eine Ikone. Zurecht. Imposant steht er da, dieser vergletscherte Gigant. Apropos Gletscher. Es ist einfach faszinierend tagelang einen vergletscherten Gipfel nach dem anderen zu sehen. Noch nie habe ich so viele Gletscher in so kurzer Zeit gesehen wie auf dieser Weitwanderung.
3.000er soweit das Auge reicht. Die dichte an Gipfeln über 3.000 Meter ist ebenso beachtlich. Entlang der GTA stehen Berge, richtige Berge. Auch wenn man sie nur von unten sieht und die offizielle GTA keine Gipfel erklimmt, sind sie wunderschön anzusehen.
Die Nationalparks Vanoise und Mercantour lagen ebenfalls auf meiner Route. Wer flexibel ist und von der Hauptroute des GR5 abweicht kann diese beiden Juwelen durchqueren.
Der GR55 führt durch den Vanoise Nationalpark. Wunderschön zieht sich diese einfach zu gehende Hochroute durch gigantische Täler. Teilweise fühlt man sich wie auf dem Mond, so karg ist die Landschaft. Am Horizont funkelt ein Gletscher an einer Bergflanke. Man sollte dieses Juwel unbedingt mitnehmen wenn man in der Gegend ist. Am besten komplett durchwandern. Biwakieren ist im Vanoise Nationalpark verboten. Es gilt entweder in einer der wenigen Hütten zu nächtigen oder die erste Hälfte des Parks an einem Tag zu durchqueren um dann in der Ortschaft Pralognan zu übernachten und am nächsten Tag den zweiten Teil zu erkunden.
In den Seealpen, kurz vor erreichen des Mittelmeeres zweigt der GR52 vom GR5 ab und führt durch den Mercantour Nationalpark. Der Mercantour Nationalpark ist ebenfalls ein Juwel, unterscheidet sich jedoch deutlich vom Vanoise Nationalpark. Der mediterrane Einfluss ist hier deutlich. Trockener und heißer das Klima. Hier und da erinnert dieser Park an die Sierra Nevada in Kalifornien. Kiefernwälder, mächtige Felsen und rauschende Wasserfälle prägen den Einstieg in den Nationalpark. Der GR52 ist der ruppige Teil meiner Alpenüberquerung. Die Passüberquerungen gegen Ende meiner Wanderung sind anstrengender als die Pendants im Norden. Weite Blockfelder müssen überquert werden. Staubige, rollige Steine und Felsen erschweren die Anstiege, insbesondere aber die Abstiege von den Pässen. Jeder Schritt muss gut platziert werden, ansonsten sitzt man schneller am Hintern als gewünscht. Nach 600 anstrengenden und intensiven Kilometern die ich bis hierher zurückgelegt habe, ist das Profil meiner Trailschuhe auch nicht mehr das beste. Im Mercantour Nationalpark liegt außerdem das Vallée des Merveilles (Tal der Wunder). Hier findet man über 40.000 Felsgravuren aus der Bronzezeit. Entsprechend groß ist das touristische Interesse und der Andrang. Auch die Restriktionen sind hier verschärft. Biwakieren ist nicht gestattet, im Tal selbst dürfen nicht einmal Wanderstöcke verwendet werden. Für mich ist das alles nichts und ich durchquere diesen Teil des Parks so rasch wie möglich.
Noch bevor ich zu dieser Wanderung aufgebrochen bin wurde ich darauf aufmerksam gemacht wie prachtvoll die Tierwelt entlang der GTA sein werde. Gämse, Kühe, Schafe, Hunde, Vögel, ein paar Steinböcke hier und da. Zugegeben, nach allem was ich gelesen habe hätte ich mir mehr erhofft. Die bleibenden Eindrücke der tierischen Art waren die erste Sichtung eines männlichen Steinbocks in dichten, regnerischen Wolkenschwaden auf der ersten Alpenetappe, eine reiß ausnehmende grüne Schlange weit im Süden und das gekonnte Treiben einer Schafherde durch ein Rudel Hütehunde.
Was die GTA bzw. mein Abenteuer aber so besonders gemacht hat, ist die Vielfalt und Abwechslung entlang des Weges. Jeder Pass war ein Erlebnis. Beim Aufstieg freut man sich auf die Aussicht ins nächste Tal. Jeder Pass ist ein Überraschungsei für sich. Kein Tal gleicht dem nächsten. Die Vegetation, die Formen, das Klima, einfach alles kann sich innerhalb weniger Kilometer ändern. Während man von Norden Richtung Süden wandert befindet sich alles im stetigen Wandel. Vom Großen bis ins Kleine. Würde man mich fragen welche Region, welche Landschaft man unbedingt gesehen haben sollte, würde ich antworten: „Man sollte sie alle gesehen haben“. Die Summe aller Teile macht das ganz so wunderbar. Ich würde lügen wenn ich sage jeder Schritt, jeder Moment und jede Sekunde auf diesem Weg war ein Vergnügen oder ein Leckerbissen für das menschliche Auge. Aber nur durch die Täler erscheinen die Berge so wie sie sind, hoch.
Verpflegung und Ortschaften
Auch wenn es während einiger Etappen nicht den Anschein hat, die GTA entlang des GR5 ist ein „zivilisierter“ Weitwanderweg. Größere Ortschaften gibt es genügend entlang des Weges. Die Verpflegungssituation ist meist sehr gut. Viele Lebensmittelgeschäfte erreichen zwar nicht das Angebot urbaner Supermärkte, für den hungrigen Wanderer reicht es jedoch allemal. Viele Lebensmittelgeschäfte haben sogar Sonntags (teilweise aber nur bis Mittag) oder geöffnet. Zu beachten ist, dass einige Geschäfte am Nachmittag geschlossen haben (üblicherweise 12:30 – 15:30). Den längsten Abschnitt ohne Lebensmittelgeschäft stellt der GR52 dar. Die Strecke zwischen den Ortschaften St. Dalmas und Sospel beträgt etwa 85 Kilometer.
Wer bekocht werden will findet ausreichend Restaurants und bewirtete Hütten entlang des Weges.
Es gibt zahlreiche Campingplätze und andere Unterkünfte innerhalb überschaubarer Etappenlängen.
GR55, GR52 und alternative Wegführung zum GR5
Wie bereits geschrieben gibt es mehrere Varianten zum GR5 die der abenteuerlustige Wanderer nehmen kann (und sollte). Sogar der offizielle Verlauf des GR5 verfügt über Alternativen (z.B. GR5, GR5B und GR5C). Daneben können auch andere Wege des GR-Netzwerks (GR=Grande Randonnée) verwendet werden. In meinem Fall habe ich die Varianten GR5C, GR55 und GR52 verwendet.
Markierungen
Der Weg und seine Alternativen sind ausnahmslos hervorragend markiert. Üblicherweise ist der Weg mittels weiß-rotem Balken gekennzeichnet. An Kreuzungspunkten geben Tafeln ausreichend Hinweise.
Statistiken für die gesamte Strecke Jura und Alpenüberquerung von Pontarlier nach Menton (GR5/GR55/GR52)
Distanz: 696 Kilometer
Höhenmeter im Aufstieg: 36.500 hm+
Dauer: 15 Tage, 19 Stunden, 38 Minuten
Tageskilometer im Durchschnitt: 44 Kilometer
Durchschnittliche Höhenmeter im Aufstieg pro Tag: 2.300 hm+
Pausentage: 0
Statistiken für die reine Alpenüberquerung GTA von St. Gingolph nach Menton (GR5/GR55/GR52)
Distanz: 593 Kilometer
Höhenmeter im Aufstieg: 34.100 hm+
Dauer: 13 Tage, 21 Stunden, 35 Minuten
Tageskilometer im Durchschnitt: 42 Kilometer
Durchschnittliche Höhenmeter im Aufstieg pro Tag: 2.450 hm+
Pausentage: 0
Tatsächlich zurückgelegte Strecke (aus eigener GPS-Aufzeichnung)
Ich werde nun ein bisschen entspannen und in den kommenden Tagen mehr meiner Erfahrungen mit euch teilen.
Was hält euch noch zuhause? Plant ihr schon eure persönliche Alpenüberquerung? Habt ihr spezifische Fragen zur GTA?
4 Kommentare
Was hat Dich dazu bewogen, die französische Variante GTA zu wählen? Ist dort weniger los? Landschaftlich schöner? Wegführung? Die vermutlich bekanntere Variante ist ja der GTA auf der italienischen Seite?
Hallo Christian, mehrere Faktoren haben mich die französische GTA gegenüber der italienischen wählen lassen.
1.) Ist die italienische GTA länger, was gleichsam bedeutet ich hätte zeitlich eher Schwierigkeiten gehabt die gesamte Strecke zu gehen.
2.) Die französische GTA ist für mich in der An- und Abreise stressfreier gewesen.
3.) Die französische GTA ist vermutlich einfacher (ich kenne die italienische (noch) nicht aus eigener Erfahrung) und ich suche nicht unbedingt die technisch schwierigsten Wanderungen für meine langen Touren aus. Ich gehe gerne schnell und weit, da kommt es mir entgegen, wenn das Gelände einfacher ist.
4.) Die Verpflegungssituation und Infrastruktur auf der französischen GTA ist besser aufgestellt. Das hilft mir dabei mein Rucksackgewicht niedrig zu halten, da ich öfters und in kürzeren Intervallen Verpflegung nachkaufen kann. Auf der italienischen GTA ist man meines Wissens eher auch mal auf lokale Hütten/Unterkünfte/Refugios/etc. angewiesen. Ich bleibe aber gerne immer in Bewegung und Hütten, etc. bremsen mich da ein.
5.) Biwakieren und zelten ist in Frankreich üblich und wird toleriert und praktiziert. Das Übernachten im Zelt ist also sehr stressfrei möglich. In Italien ist es meines Wissens nach rechtlich schlechter ums Wildzelten gestellt. Auch wenn das nicht heißt, dass man gar nicht zelten „kann“, ist es stressfreier wenn man sich im Rahmen der Legalität bewegt anstatt in einer Grauzone.
Die Wegführung bzw. die Gegend ist sicher entlang beider Strecken genial. Teilweise trennen die Wege ja nur wenige Kilometer Luftlinie. Vielleicht ist die italienische GTA in einigen deutschen Kreisen bekannter als die französische GTA. Meines Wissens nach ist die französische Variante jedenfalls die ältere und hat die italienische GTA in der Entstehung inspiriert. Einsamer bist du definitiv auf dem italienischen Ableger unterwegs.
Egal für welchen der beiden Wege du dich entscheidest, beide sind ein Erlebnis wert.
Gute Touren und Grüße,
Dominik
Hallo Dominik, danke für Deine ausführliche Antwort! Bin noch auf der Suche nach einem „Thruhike“ oder „Sectionhike“ in den Bergen für diesen Sommer, für den Anfang erstmal nicht mehr als zwei Wochen. Bevorzugt mit Zelt/Tarp, eher nicht Deutschland/Österreich, weil zu voll und rechtlich auch eher problematisch. Deshalb bin ich über Deinen Blog gestolpert, weil ich verschiedene Trails recherchiert habe, die evtl. in Frage kommen könnten z.B. GTA, GR10, GR11, HRP, Via Alpina… Wobei ich für mich eher maximal die Hälfte von Deiner üblichen Tagesdistanz veranschlagen würde 😉
Hi Christian,
wenn du für 2 Wochen ein Abenteuer in den Bergen erleben willst, kannst du mit den von dir genannten Trails eigentlich nicht viel falsch machen. Da kommt es dann einfach drauf an, was genau du dir von dem Trail erwartest (An-/Abreisemöglichkeiten, Region, voraussichtliches Klima, Schwierigkeit des Trails, usw.). GTA (Frankreich) und GR11 bin ich bereits gelaufen, Teile der Via Alpina (rot bzw. grün) folgen lt. Plan in diesem Sommer. Und das mit den Tagesdistanzen soll jede/r so angehen wie man kann/will. Das ganze lieber konservativ angehen, als danach verletzt zu sein oder gar fahrlässig oder leichtsinnig zu planen/gehen. Wenn es auf dem Trail läuft, dann kann man immer noch das Tempo anziehen oder die Distanzen erhöhen. Bin gespannt welcher Trail es für dich wird. Jedenfalls viel Spaß bei der Vorbereitung und dem Abenteuer selbst!