Der Mann mit dem Hammer

Der Kampf gegen den Krebs entwickelt sich zum Marathon

von Weg als Ziel

Mittlerweile ist einige Zeit seit meinem letzten Bericht vergangen. Meine zweite Konsolidierungstherapie habe ich nun auch hinter mich gebracht. Sie glich in vielen Punkten meinen bisherigen Erfahrungen aus meinen ersten beiden Chemozyklen. Über vier Monate sind seit meiner Diagnose vergangen und immer mehr bewahrheitet sich, dass der Kampf gegen den Krebs mehr einem Marathon als einem Sprint gleicht.

Eine lange Liste des Jammerns

An dieser Stelle könnte ich gut und gerne etliche Textpassagen unverändert aus vergangenen Berichten zu meiner Erkrankung einfügen. Die Liste an Komplikationen aus den letzten Zyklen könnte großteils einfach kopiert werden. Das Jammern und Schimpfen eins zu eins übertragen werden. Aber das spare ich uns allen. Mit der Zeit wird es langweilig. Seit Monaten wiederhole ich meine Stehsätze gegenüber Verwandten, Freunden, Bekannten und Neugierigen wie es ein Politiker im Wahlkampf tut. Und zugegeben, wer von uns mag schon Politiker?

Deshalb mache ich es kurz. Die Komplikationen im Zusammenhang mit meiner zweiten Konsolidierungstherapie beinhalteten unter anderem:

  • eine Coronainfektion inkl. grippaler Symptome, Quellisolation und totalem Geruchs- und Geschmacksverlust
  • Infektion durch einen resistenten Erreger inkl. obligat hohem Fieber
  • Ausbildung eines perianalen Abszesses inkl. operativem Eingriff unter Vollnarkose nach Ende der Konsolidierungstherapie (wodurch sich die weitere Therapie wiederholt verschiebt).
Besuch während meiner Quellisolation Corona

„Geschützter“ Besuch während meiner Corona-Quellisolation

Was hat die Chemotherapie nun mit einem Marathon zu tun?

Okay erwischt, ich bin noch nie einen klassischen Straßenmarathon gelaufen. Wieso kann ich also diese abgedroschene Floskel mit dem Marathon zur Beurteilung heranziehen? Ich bin in den letzten Jahren zahlreiche Marathon- und Ultramarathondistanzen auf diversen Trails gelaufen. Meist aus Spaß an der Sache während meines Trainings, seltener als Teilnehmer an Laufveranstaltungen. Aber vor allem kenne ich die Strapazen großer Distanzen von meinen Weitwanderungen.

Große Distanzen haben irgendwann meist immer etwas gemein. Sie zu bewältigen dauert in der Regel einfach verdammt lange. Irgendwann kommt meist der Moment an dem man sich die Frage stellt: „Wieso mache ich diesen Scheiß überhaupt?“. Irgendwann kommt der Mann mit dem Hammer und stellt dich auf die Probe. Irgendwann spielt die Psyche, die mentale Stärke eine mindestens genauso wichtige Rolle wie die physische. Wie sehr willst du es, wie sehr kannst du leiden?

Während meiner "Chemopause"

Kein Marathon, keine lange Distanz aber ein freudiger Moment während meiner „Chemopause“. Das Gefühl ein „Mensch“ zu sein.

Mein persönlicher Mann mit dem Hammer

Genau an diesem Punkt wähne ich mich gerade. Der Mann mit dem Hammer fordert mich heraus. Die meisten Marathonläufer berichten vom Auftreten dieses bösen Mannes zu Beginn des letzten Viertels auf der Marathondistanz. Das Rennen dauert schon sehr lange, die Reserven sind erschöpft und trotzdem sind noch etliche Kilometer mit geschundenem Körper zurückzulegen.

Meine Therapie zieht sich mittlerweile seit über vier Monaten. Scheinbar folgt eine Komplikation der anderen. Therapie um Therapie verschiebt sich. Das Negative scheint sich von Zyklus zu Zyklus zu wiederholen. Die einzelnen Komplikationen und Zwischenfälle für sich waren recht gut zu überwinden und im Nachhinein betrachtet meist halb so schlimm. Die Anzahl, Regelmäßigkeit und Häufigkeit an Rückschlägen macht mich aber mürbe. Vor meiner letzten geplanten Konsolidierungstherapie bin ich sprichwörtlich im letzten Viertel dieses Marathons angekommen. Der Mann mit dem Hammer schlägt zu. Während ich körperlich mittlerweile keinen wesentlichen Abbau mehr feststelle, geht meine Reise nun mehr an die mentale Substanz. Im Leisen (und manchmal im Lauten) schimpfe und fluche ich mehr. Ab und an (wenn ich alleine bin) kullert mir eine Träne über die Wangen, ein Klos liegt im Hals. Ich freue mich sehnlichst auf das Ende der nächsten Konsolidierungstherapie. Ich erwarte mir nichts mehr als die freudvolle Botschaft einer dauerhaften, kompletten Remission. Es ist höchste Zeit in mein neues Leben zu schlüpfen. Mein neues Leben nach und ohne Krebs. Ich freue mich auf ein Leben ohne gesundheitliche Ratschläge von Laien, ohne aufmunternde Worte, ohne die Anweisung weiterhin positiv zu denken, ohne die ständige Frage nach meinem Befinden.

In freudiger Erwartung auf ein Leben nach dem Krebs

In freudiger Erwartung auf ein Leben nach und ohne Krebs. Ups und downs prägen die letzten Wochen.

Danke für all die positiv gemeinte Unterstützung. Aber mal ehrlich, welcher Mensch denkt dauernd positiv? Ja ich verstehe, die Macht der positiven Gedanken und so. Aber wieso sollen gerade kranke Menschen ständig positiv denken? Leichter gesagt als getan. Wer ohne negative Gedanken ist werfe den ersten Stein. Die Aufforderung anderer ständig positiv denken zu müssen baut mir selbst einen gewissen Druck auf. Einen Druck den ich nicht brauche. Einen Druck den ich rasch loswerden möchte.

Genau deswegen habe ich für mich entschieden den Mann mit dem Hammer zu akzeptieren. Der restliche Weg ist ebenso wenig leicht wie es der bisherige war. Ich erlaube mir selbst auch mal negative Gedanken zu haben. Nicht ständig an Zuckerwatte, Regenbögen und goldene Einhörner zu denken. Das kommt keinem Aufgeben gleich. Nur weil der Mann mit dem Hammer dir den Arsch nach Kilometer 30 versohlt musst du nicht aufgeben. Akzeptanz ist meine Herangehensweise der Wahl. Aushalten und überleben.

Vom Schimpfen und Fluchen

Für mich gehört mittlerweile auch dazu, das ich mir zugestehe schimpfen und fluchen zu dürfen. Für Mitmenschen präsentiert sich das mitunter als Schwäche, als Manifestation negativer Gedanken. Denk positiv! Fuck off! Fluchen und schimpfen kanalisiert meine negativen Emotionen und bildet ein Ventil. Wer nun an ein schreiendes und tobendes Ich denkt, der irrt. Ich schimpfe im Stillen, für mich. Ein Qualitätsschimpfen sozusagen. Hier ist jeder Mensch anders. Und lasst sie sein wie sie sind. Krankheit ist ein sehr persönlicher und individueller Weg. Unterstützt sie aber lasst die Kranken diesen Weg gehen wie sie es für richtig halten.

Fluchen und schimpfen während der Chemo

Wer seinen Frust von der Seele schimpft kann auch mal die schönen Augenblicke genießen.

Kannst du helfen?

Wenn du selbst etwas Gutes tun willst, dann kannst du gerne an eine der diversen Krebsorganisationen spenden. Der Verein  Geben für Leben hat sich z.B. der lebensrettenden Stammzellenspende für Krebspatienten mit Leukämie verschrieben. Dieser Verein führt u.a. Typisierungen für Stammzellenspender_innen durch. Dort kannst auch du dich registrieren und vielleicht Lebensretter_in werden.  Die  Österreichische Krebshilfe ist eine zentrale Anlaufstelle generell zum Thema Krebs.

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